Freitag, 19. Juni 2020

F.A.Z. berichtet: Adel vernichtet

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Anfang Juni 2020 über Albrecht von Brandenstein-Zeppelin und seine Klagen, die sich gegen die Stadt Friedrichshafen und die Zeppelin-Stiftung richten, berichtet. Der Artikel wurde der Stadt zur Veröffentlichung vom Frankfurter Allgemeine Archiv zur Verfügung gestellt.

Prozess um Zeppelin-Stiftung
Adel vernichtet

Juristische Versuchsballons über dem Bodensee: Ein Urenkel des Luftschiffpioniers Graf Zeppelin fordert eine Stiftung von der Stadt Friedrichshafen zurück.

Von Peter Rawert
 

Albrecht von Brandenstein-Zeppelin ist ein selbstbewusster Mann. Er ist Rechtsanwalt und Unternehmer. Er beansprucht den Titel eines Grafen. Nach staatlichem Recht steht ihm der nicht zu, und zwar nicht einmal als Bestandteil seines bürgerlichen Namens. In seinen offiziellen Schriftsätzen taucht er folglich nicht auf. Für den Hausgebrauch beruft der Mann sich jedoch auf „Adelsrecht“.

Gerne bezeichnet sich von Brandenstein-Zeppelin als Rektor einer philosophischen Hochschule. Gemeint ist die Gustav-Siewerth-Akademie in Weilheim-Bierbronnen. Mit etwa einem Dutzend Studenten war sie einst die kleinste staatlich anerkannte Hochschule Deutschlands. Allerdings wurde ihr 2013 die Akkreditierung entzogen. Im Umfeld der Restakademie lässt von Brandenstein-Zeppelin die Öffentlichkeit bis heute an seinen weltanschaulichen Einsichten teilhaben. Ganz im Geiste des Kreationismus zieht er gegen die Evolutionstheorie zu Felde. Auch das Verhältnis von Mann und Frau beschäftigt ihn. Er hält es für wissenschaftlich erwiesen, dass eine Frau, die die Letztentscheidungskompetenz ihres Mannes in Frage stelle, Gefahr laufe, ihn in die Homosexualität zu treiben. Die wiederum ist für den „Grafen“ eine schlimme Untugend. Im Kampf gegen solche Verirrungen unterstützt er notfalls auch die AfD, etwa indem er ihr Vortragsräume in einem seiner Anwesen zur Verfügung stellt. Die dankt ihm auf Facebook dafür.

Das ewige Leben für Hitler?

Auch eher mystische Erfahrungen teilt von Brandenstein-Zeppelin mit Publikum. So berichtet er auf Youtube vom epileptischen Anfall eines Neffen und schildert, wie es beim „Überbeten“ des zweieinhalbjährigen Kindes durch einen Pater zu einer Erscheinung gekommen sei. Es habe sich offenbart, dass der Anfall durch einen im Fegefeuer sitzenden Großonkel des Jungen verursacht worden sei. Das Kind habe wegen dessen Greueltaten im Krieg leiden müssen. Und auch auf kathTube, einem privat finanzierten Kanal, von dem sich selbst einige katholische Bischöfe distanzieren, sinniert er auf merkwürdige Weise über Fegefeuer und Vergebung. Für von Brandenstein-Zeppelin ist es „ganz gefährlich zu sagen, so'n böser Mann wie Adolf Hitler war in der Hölle. Denn wir wissen nicht, wie viele gute Menschen ihr Leben aufgeopfert haben, dass Hitler möglicherweise nicht in die Hölle kommt, sondern nur ins Fegefeuer und dort gereinigt wird und möglicherweise doch das ewige Leben erhält.“

Man könnte Albrecht von Brandenstein-Zeppelin ignorieren, würde der Mann nicht einen Rechtsstreit führen, der hohe Wellen schlägt und den er medienwirksam inszeniert. Es geht um das Schicksal der Zeppelin-Stiftung. Die Stiftung ist ein Sondervermögen der Stadt Friedrichshafen am Bodensee. Dieses Vermögen besteht vor allem aus mehr als neunzig Prozent der Aktien an der ZF Friedrichshafen AG, einem der größten Automobilzulieferer der Welt mit mehr als 140.000 Mitarbeitern. Mit den Erträgen aus dieser und anderen Beteiligungen der Stiftung fördert die Stadt gemeinnützige und mildtätige Zwecke.

Historisch geht die Stiftung auf Ferdinand Graf von Zeppelin (1838 bis 1917) zurück, den Urgroßvater von Brandenstein-Zeppelins. Ersterer hatte 1909 eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts für Zwecke der Luftfahrt errichtet, in die er das Vermögen einbrachte, das aus der sogenannten Zeppelinspende des deutschen Volkes stammte. Das war eine Sammlung, die nach der Havarie des Luftschiffs LZ 4 am 5. August 1908 in Echterdingen stolze sechs Millionen Mark zur Unterstützung von Zeppelins Arbeit erbrachte. 1947 wurde die Stiftung des Luftschiffpioniers aufgelöst.

Das geschah durch eine Rechtsanordnung des Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns. Während des Zweiten Weltkrieges waren die Unternehmen der Stiftung in der Rüstungsproduktion tätig gewesen. Der Besatzungsmacht war das nationalsozialistisch belastete Führungspersonal der Stiftung ein Dorn im Auge. Man plante die Demontage ihrer Betriebe. Durch die Anordnung wurde das Vermögen der Stiftung daher in Übereinstimmung mit der in ihrer Satzung vorgesehenen „Anfallklausel“ der Stadt Friedrichshafen zur Verwendung für wohltätige Zwecke übertragen. Sie haben im Wesentlichen einen lokalen Bezug.

„Keinerlei Ansprüche“

Diverse Rechtsmittel gegen die Anordnung blieben erfolglos oder wurden zurückgenommen. Nachfahren des Stifters gaben „für sich und ihre Rechtsnachfolger“ 1952 einen Verzicht auf etwaige Ansprüche ab. Albrecht von Brandenstein-Zeppelin selbst erklärte 1990 rechtsförmlich, dass für ihn „keinerlei Ansprüche und Rechte gegen die Stadt Friedrichshafen (Zeppelin-Stiftung) mehr bestehen“. Zugleich verpflichtete er sich, „die Existenz und Tätigkeit der städtischen Zeppelin-Stiftung nicht in Frage zu stellen bzw. anzugreifen“. Es schien, als seien alle Rechtsverhältnisse geklärt.

Seit einigen Jahren sieht von Brandenstein-Zeppelin das anders. Mit Unterstützung einer Phalanx von Anwälten und Gutachtern vertritt er inzwischen den Standpunkt, die Rechtsanordnung von 1947 sei nichtig gewesen. Die Stiftung seines Urgroßvaters bestehe mithin fort. Da er persönlich nicht auf die Ansprüche der Stiftung habe verzichten können, sei deren Vermögen von der Stadt zurückzuerstatten. In der „restituierten“ Stiftung seien alsdann er und sein ältester Sohn als jetziger und künftiger Träger des ihnen „adelsrechtlich“ zustehenden Grafentitels nach deren Satzung „geborene Aufsichtsratsmitglieder“. Gemeinsam mit dem Friedrichshafener Oberbürgermeister komme ihnen das Recht zu, die weiteren Mitglieder des Aufsichtsrates zu wählen und alsdann einen Vorstand zu bestimmen. Man könnte auch sagen: Die Stiftung zu übernehmen. Für die Stadt Friedrichshafen eine vernichtende Perspektive.

Gestützt auf diese Erwägungen, haben von Brandenstein-Zeppelin und einer seiner Söhne 2017 Klagen erhoben, die darauf gerichtet waren, den Fortbestand der alten Zeppelin-Stiftung gegenüber der Stiftungsaufsicht des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Friedrichshafen feststellen zu lassen und diese zu Restitutionsmaßnahmen zu bewegen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat sie im Januar abgewiesen. Nun liegt die schriftliche Entscheidung vor.

Mit guten Gründen abgelehnt

Im Kern führt das Gericht aus, dass es den beiden Klägern an der Klagebefugnis mangele. Unter keinem Gesichtspunkt hätten sie gegenüber dem Staat durchsetzbare Ansprüche. Schon die bloße Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte scheide aus. Die Stiftungsaufsicht bestehe allein im öffentlichen Interesse. Private hätten keinen Anspruch auf ihr Eingreifen - auch nicht die Nachfahren eines Stifters. Die Stiftungsaufsicht lasse sich nicht „privatisieren“, indem „Stiftungsinteressierten“ Antrags- oder Klagerechte eingeräumt würden. Eine Rechtsschutzlücke für die alte Stiftung habe nicht bestanden. Sie selbst und ihre Organe hätten die Möglichkeit gehabt, sich 1947 gegen die Auflösung zu wehren. Dies sei damals nicht erfolgreich geschehen. Vordergründig klingt das formal. Tatsächlich entspricht es geltendem Stiftungsrecht.

Nicht umsonst haben die Berater der Kläger versucht, die Position ihrer Mandanten mit dem Ruf nach richterlicher Rechtsfortbildung zu begründen. Mit guten Gründen hat das Gericht dies abgelehnt. Ein solcher Systemwechsel im Stiftungsrecht sei Angelegenheit des Gesetzgebers, nicht aber der Verwaltungsgerichte. Zur Sache entschied das Gericht daher nicht. Aber auch bei unterstellter Klagebefugnis hätte die Position der Kläger auf tönernen Füßen gestanden.

Mehr als sieben Jahrzehnte nach der Auflösung der alten Zeppelin-Stiftung darf man von einer Verjährung oder Verwirkung unterstellter Restitutionsansprüche ausgehen. Überdies spricht einiges dafür, dass die Rechtsanordnung von 1947 erlassen werden durfte. Das vorkonstitutionelle Recht hat Grauzonen, die sich nicht sämtlich an heutigen Maßstäben messen lassen. Albrecht von Brandenstein-Zeppelin hat angekündigt, durch alle Instanzen gehen zu wollen. Parallel dazu hat er seine Anwälte veranlasst, für die vom Bundesjustizministerium angekündigte Reform des Stiftungsrechts ein „Petitum“ zu verfassen. In ihm werden gesetzgeberische Maßnahmen zur „Restituierung von zu Unrecht aufgelösten Stiftungen“ gefordert. Um die Sache uneigennützig erscheinen zu lassen, wird das Petitum vornehmlich mit dem Unrecht begründet, das den jüdischen Stiftungen in der Zeit des Nationalsozialismus widerfuhr. Die Zeppelin-Stiftung taucht in dem Papier lediglich in einem Nebensatz, der Initiator des Ganzen gar nicht auf.

Die Forderungen nach Klagebefugnissen für Nachfahren und Angehörige von Stiftern sowie für potentielle Organmitglieder sind passgenau auf von Brandenstein-Zeppelin zugeschnitten. Nicht einmal die kühnsten Forderungen nach Rechtsschutzmöglichkeiten im Stiftungswesen sind je so weit gegangen. Den Nachfahren jüdischer Stifter nutzen sie nichts. Die meisten von ihnen haben den Nationalsozialismus nicht überlebt. Selbstverständlich haben es die jüdischen Stifter und ihre Stiftungen verdient, dass der Gesetzgeber sich ihrer endlich und effektiv annimmt. Die Interessen eines Mannes, der einen privaten Feldzug führt, sollten dabei keine Rolle spielen.

Quelle: F.A.Z., Autor: Peter Rawert
Veröffentlicht am 03.06.2020 auf FAZ.NET und am 04.06.2020 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
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